Schnittkurs 03_2018

17. März 2018  Frühjahrsschnitt an Obstbäumen
  
Die Temperatur knapp über dem Gefrierpunkt, eisiger Wind, große Teile der Wiese unter Wasser – so etwa muss man sich in einem schottischen Hochmoor fühlen.

Tatsächlich aber waren wir auf der Streuobstwiese auf dem Natzfeld in Schaffhausen. Wir, 10 Männer und 1 Frau, wollten Josef Wilhelm beim Schneiden der Obstbäume zusehen und seinen Kommentaren lauschen.

Zum Glück lag der Grundstücksteil mit den von uns ausgesuchten Bäumen geringfügig über dem restlichen Feld und wir konnten wenigstens trockenen Fußes zu unserem Ziel  gelangen. Die vom Bauhof abgeschnittenen Brombeerhecken dienten uns gelegentlich als Steg zum Überqueren von Pfützen.

Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden Karl Heinz Ratzel  beschreibt Baumwart Josef Wilhelm sein geplantes Vorgehen.


"Dann fange mr mool ann!" -
Josef Wilhelm (am rechten Bildrand) auf dem Weg zu seinem Opfer


In den ersten Minuten waren alle jedoch weniger von den fachlichen Ausführungen des Baumwarts als von der enormen Schneidkraft seiner neuen Akku-Astschere fasziniert. Daumendicke Äste durchtrennte sie ohne jegliche menschliche Kraftanstrengung.
Nach und nach wurden dann doch Fragen gestellt und beantwortet. Einig waren sich alle: Den Bäumen ist schon viel geholfen, wenn die senkrecht nach oben gewachsenen Triebe draus sind. Dann kommen die waagerechten Äste an die Reihe, die quer durch den Baum wachsen und eine ordentliche Struktur stören.

Das Beschneiden stark verwilderter Bäume sollte man auf mehrere Jahre verteilen. Schneidet man zu viel, besteht die Gefahr, dass der Baum die überschüssige Kraft in die Produktion von Wassertrieben steckt – und dann hat man im Sommer besenförmige Gebilde. Schlimmstenfalls stirbt der Baum ab.





Hier hat sich unser Baumwart, das ist der Typ im Baum, schon ausgetobt.

Trotz all seiner Routine und mit bester technischer Ausstattung brauchte er dennoch eine gute halbe Stunde, bis der Baum in diesem Zustand war. Er könnte durchaus noch mehr schneiden, aber das wollte er dem Baum nicht mehr zumuten.

Gut ein Drittel seines Holzes hatte er sowieso schon verloren.

Jemand mit weniger Erfahrung und normaler Astschere würde sicher doppelt so lange brauchen.
Zum Abschluss kam ein völlig zugewachsener Birnbaum an die Reihe. Auch hier galt es, erst einmal etwas Licht in den Baum zu bringen. Dass es bei einer gegebenen Problemstellung durchaus mehrere Lösungen geben kann, war an diesem Beispiel gut zu beobachten. Oder muss man nur die richtige Begründung haben? Folgender Wortwechsel ergab sich:
Baumwart:         "Der Ast geht senkkrecht hoch - der stört und muss weg!"
Besucher:           "Der Ast direkt nebendran geht doch auch senkrecht hoch - warum bleibt der?"
Baumwart:         "Der kommt nächstes Jahr dran."

Anderer Fall: "Karl Heinz, welchen der beiden soll ich rausholen?" - "Ich bin für den rechten Zweig." Raten Sie mal, welcher rausflog! Richtig, der linke.

Mein ist die Rache,  sagte sich der Angesprochene und entfernte mit der Teleskopstange den für das nächste Jahr reservierten Ast.
Linkes Bild: Josef Wilhelm nimmt den Birnbaum in Angriff.                   Rechtes Bild: So sah der Birnbaum 40 Minuten später aus.




Bildinterpretation:
Dieser Besucher zieht seine Mütze vor der Leistung unseres Baumwarts.



Das Angebot der Vereinsvertreter, zum Abschluss eine Birn' in flüssiger Form zu vernichten, nahmen alle dankend an. Die sonst üblichen Fachgespräche fielen diesmal allerdings recht kurz aus. Es war einfach viel zu kalt.

Zu einem ehrlich gemeinten Dank an Josef Wilhelm reichte es aber doch noch.

Bis zum nächsten Mal im Sommer!
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