2018_06_13 Bitche_Bericht

13. Juni 2018  Vereinsfahrt ins Bitscher Land - ein Bericht

Mittwoch, 13. Juni,  eine Gruppe reiselustiger Mitglieder und Freunde des Obst- und Gartenbauvereins trifft sich gegen 12:30 Uhr auf dem Marktplatz, um ins Bitscher Land zu fahren. Überraschend klein ist die Gruppe. Viele, die sonst regelmäßig dabei sind, haben andere Verpflichtungen, sind in Urlaub oder aber krank.

Über Saargemünd geht’s zunächst nach Saint-Louis-lès Bitche, wo wir exakt nach Zeitplan eintreffen. Anders als bei einer der letzten Touren, fahren wir diesmal mit dem Bus den kurzen, aber sehr steilen Anstieg hoch auf den Hügel. Dort, in der Kirche, erwartet uns bereits Monsieur Louis Faul, ein Vertreter eines Fördervereins, um uns Informationen zu der aktuellen Attraktion zu geben: dem Kristall-Altar.
Mr. Faul erzählt, dass Saint-Louis-lès-Bitche ein Glasmacher-Dorf ist. 1586 wird die erste Fabrik eröffnet. Sie wird im 30-jährigen Krieg zerstört und etwa 100 Jahre später wieder aufgebaut. Hier wird erstmals auf französischem Boden Kristall geschaffen, zuvor gab es „nur“ Glas. 1829 macht der Kristall-Anteil 50 % des Umsatzes aus. Die Geschäfte laufen hervorragend, um das Jahr 1900 herum werden rd. 2.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Für diese bauen die Eigentümer Ende des 18. Jahrhunderts sogar eine  Kirche, die später, weil zu klein geworden, durch eine größere ersetzt wird; in  dieser befindet sich jetzt unsere Gruppe. 1897 wurde der Grundstein gelegt, im Sommer 1902 wurde sie geweiht.

1910 stiftet die Firmenleitung einen komplett aus Kristall hergestellten Altar. Er wird 1939 angesichts des bevorstehenden Krieges „eingemottet“, steht in Kisten verpackt irgendwo auf Speichern der Fabrikgebäude – und gerät vollständig in Vergessenheit. Jüngere Mitarbeiter-Generationen wissen überhaupt nichts davon.

Erst etwa 60 Jahre später erinnern sich ehemalige Fabrikmitarbeiter an den Altar, suchen und finden den weitaus größten Teil davon. Das, was fehlt, wird mit Unterstützung der Fabrik nachgebaut.
Im Jahr 2000 wird er nach rd. 60 Jahren erstmals wieder aufgebaut, und zwar auf dem Marktplatz der Gemeinde. Dies wiederholt sich mehrfach, bis man sich 2006 entschließt, den Altar künftig in der Kirche aufzubauen.

Dort steht er seit 2008 sicherer und passt außerdem genau in den Altarraum, so als wäre er speziell dafür angefertigt: 5 Meter breit, 5 Meter tief und 5 Meter hoch. Jede der Streben ist mit Dutzenden Halbkugeln aus Kristall bedeckt; sie stellen wohl geöffnete Blütenkelche dar.
Insgesamt 6.000 Teile werden so nur für den Gottesdienst an Fronleichnam zusammengesetzt. Und dafür arbeiten Männer und Frauen mehrere Tage jeweils an Auf- und Abbau. Dieser Aufwand wird als zu hoch eingeschätzt und so entschließt man sich, den Altar weitere 14 Tage stehen zu lassen und Besuchern zu zeigen. Die Idee war gut, das Konzept ist erfolgreich. Jahr für Jahr kommen mehr Besucher, Mr. Faul und seine Kollegen müssen täglich mehrere Führungen durchführen. Auch wir werden durch die nächste Gruppe abgelöst.

Mr. Faul, selbst ehemaliger Fabrik-Mitarbeiter, erzählt dies alles in seinem angenehmen Lothringer Deutsch-Französisch. Die in den Bänken sitzende Besuchergruppe nimmt ihm die Begeisterung für Altar und Kirche ab, da ist nichts Aufgesetztes.

So erfahren wir, dass 2 Leuchter 1997 und 1998 anlässlich des  100jährigen Bestehens der Kirche von der Glasfabrik, die seit 1989 zur Hermès-Gruppe gehört, gestiftet wurden. Jeder wiegt 175 kg, ist 2,20 Meter hoch und hat einen Durchmesser von rd. 1,50 Meter. „Nichts für’s Wohnzimmer!“, wird festgestellt.

Nach diesen kurzweiligen Ausführungen bedankt sich der Vorsitzende des Vereins bei Mr. Faul mit einem Weinpräsent: Schließlich dürfen seine stark beanspruchten Stimmbänder nicht heiß laufen.
Die Besucher fotografieren ausgiebig Altar, Kronleuchter, Kirchenfenster und auch den Innernaum und kaufen Kerzen und Ansichtskarten. Zwischendurch erklingt eine kleine Melodie aus 4 Glasglocken, die neben dem Altar hängen. Noch ein paar Bilder vom Hügel herunter auf Dorf und Fabrik, und schon geht es mit dem Bus weiter nach Bitche.
Diese Bilder und noch mehr finden Sie hier.
Etwa eine Viertelstunde dauert die Fahrt nach Bitsch. Auf dem Besucherparkplatz auf halber Höhe zwischen Zitadelle und Garten für den Frieden teilt sich die Gruppe.

Wer in die 80 Meter über der Stadt gelegene Zitadelle will, erhält am Kassenhäuschen einen Kopfhörer. Hierüber erfährt er an den markanten Stellen Wissenswertes; das Einspielen der deutschen Texte erfolgt funkgesteuert.

Der Weg führt zunächst über diese breite Rampe zum Haupteingang. Was aussieht wie eine schöne Auffahrt rein in die Festung, sieht sich als Angreifer getäuscht: Er läuft im Kreuzfeuer von Gewehr- und Kanonenkugeln.

Vauban hatte noch eine 2. Überraschung: Hinter dem Eingang setzt sich der Weg bananenförmig weiter. In die Festung eindringende Angreifer sehren nicht die am anderen Ende des Ganges stehenden Verteidiger und können deshalb nicht auf sie schießen.
Die Führung beginnt mit dem Besuch eines kleinen Kinosaales mit 30 Sitzplätzen. Der Film führt die Besucher binnen weniger Minuten von der Jetzt-Zeit in die Kriegswirren der Jahre 1870/71, als bayerische und preußische Truppen Frankreich angreifen. Während rundum die Schlachten verloren gehen und Frankreich schließlich kapituliert, widersteht die Zitadelle von Bitche allen Eroberungsversuchen.

Erzählt wird die Geschichte von einem jungen Mann, der die Zitadelle von einem Hügel aus betrachtet, um dann in die Rolle eines französischen Soldaten zu wechseln, der an dem Krieg teilgenommen hat. Einfach klasse, wie der Betrachter diese Zeittransformation mitmachen kann.
Nach 8 Minuten endet der 1. Teil des Films. Der Besucher verlässt den Raum und geht über eine Treppe in den unterirdischen Teil der Festung. Dort sieht er einen Raum, in dem sich der Brunnen befindet, über den das Trinkwasser gefördert wird. 800 Mann stark ist die ursprüngliche Besatzung. Dazu kommen mit der Zeit noch mehr als 2.000 Zöllner, Reservisten, Nationalgardisten etc., plus die Bitcher Bevölkerung, die in die Festung geflohen ist. „Muss das ein Gedränge gewesen sein – und ein Gestank“, lauten die Kommentare der Besucher.

an den Wändern läuft das Wasser herunter und sammelt sich auf dem Boden in Pfützen. Weiter geht es durch schmale, spärlich beleuchtete, recht unebene Wege zu Bäckerei, Schmiede, Stallungen, Schlafräumen usw. In jedem dieser Räume gibt es neue Filmsequenzen. Sie sind gelegentlich brutal, aber nicht gekünstelt, sondern vermitteln seriös eine ungefähre Ahnung davon, was diese Leute damals ausgehalten haben müssen. Dagegen sind wir heute die reinsten Weicheier!

Wenn man dann sieht und hört, wie manche Idioten die Welt an den Rand eines nächsten Krieges treiben, möchte man den allen den Spielfilm zeigen und sie "spaßeshalber" für ein paar Wochen in die Zitadelle sperren. Andererseits, so ein Besucher, dauert der nächste Krieg nicht so lange. Dann geht alles sehr viel schneller den Bach runter.
Der Film zeigt aber auch, dass der Festungskommandant Teyssier ein Offizier war, für den Aufgeben nicht in Frage kommt. Er ist nicht da, um zuzuhören – er befiehlt! Er nimmt sich auch die Freiheit, den ausdrücklichen Befehl des nach der Kapitulation neu ernannten Verteidigungsministers zu missachten. Bitche und Teyssier kapitulieren nicht!

Ist der Kommandant damit ein Held? Oder ist er nur ein Sturkopf, dessen (falscher?) Stolz viele Hundert Menschenleben gekostet hat? Diese Fragen stellen sich der Soldat im Film und die Besucher, nachdem sie wieder das Tageslicht erreicht haben. Garantiert fallen hier jedem Deutsch- und Geschichtslehrer Dutzende Themen für Klassenarbeiten ein.
Wieder an der  frischen Luft, werden die dicken Festungsmauern und die schönen Ausblicke auf Stadt und Umgebung bestaunt. Dabei realisieren auch wir, dass die Festung zwar auf einem Hügel steht, der aber seinerseits in der Mitte eines von noch höheren Hügeln umgebenen Tal-Kessels. Für Kanonen ein leichtes Ziel. Dann gibt’s noch schnell ein Gruppenfoto, bevor jeder seiner eigenen Wege geht.
Die Besucher des Garten für den Frieden erleben im Vergleich dazu eher Beschauliches.

Der Garten ist mit seinen 15.000 qm nicht sehr groß, aber abwechslungsreich. Dazu trägt sicherlich bei, dass er von den Gärtnern der Stadt jedes Jahr neu gestaltet wird. Wer einmal da war, wird im nächsten Jahr dennoch Neues sehen.
Über den Hauptweg kann man gemütlich schlendern; Blumen, Büsche und Bäume sind mit Liebe und Sorgfalt gepflanzt. Viele Attraktionen sind allerdings versteckt und man findet sie nur, wenn man abzweigenden Pfaden folgt oder über die Wiese tiefer in Büsche und Pflanzungen eindringt.

Daneben gibt es auch größere Objekte, etwa Baumhäuser, die durch einen Holzsteg in luftiger Höhe miteinander verbunden sind. Oder die Kleingartenanlage mit dem Wasserlauf und Plastikfischen, die man angeln durfte (wenn man es denn nur geschafft hätte).
 Ob Entenfamilie aus Blech, Miniatur-Karussell oder künstliche Pilze – immer wieder findet das Auge Überraschendes.

Manches verleitet zum Schmunzeln, so das dekorative Klo-Häuschen (linkes Foto) oder ein zwischen den Bäumen hängendes Bett.

Warum immer alles wegwerfen? Schön mit ein paar Blumen dekoriert, könnte man das Teil ja vielleicht für einen Sommer im eigenen Garten platzieren!?


Einige weitere Fotos aus dem Garten finden Sie hier.
In dem kleinen Bistro werden die Eindrücke bei einer Tasse Kaffee diskutiert, bevor es zurück zum Bus geht. Dort sorgt eine Kollegin unfreiwillig für heftiges Schmunzeln: „Ich find Dein Ding net!“ sagt sie lauter als beabsichtigt – sehr zur Freude aller anderen. Gemeint hat sie den Sicherheitsgurt ihres Mannes.

Jean-Marie fährt uns dann über Hochwasser-bedingte Umleitungen nach Blieskastel-Lautzkirchen ins Gasthaus Zum Pferchtal. Dort hat man für uns in einem schönen Nebenzimmer Tische gedeckt. Der Service ist außerordentlich aufmerksam, freundlich und funktioniert hervorragend, das Essen ist prima, reichlich und erfreulich preiswert. Ein absolut empfehlenswertes Haus, in dem wir es durchaus noch länger hätten aushalten können! Wir kommen gern wieder.

Exakt um 21:30 Uhr erreichen wir den Marktplatz in Wadgassen. Punktlandung! Etliche der Fahrgäste bedanken sich ausdrücklich für die Durchführung der Fahrt und die Auswahl der Ziele.

Und dann geht’s zum traditionellen Absacker zu Carmen. Tschüss, bis zum nächsten Mal.

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